Was ist CADASIL?
CADASIL ist die häufigste erbliche Schlaganfallerkrankung. Der Begriff „CADASIL“ ist eine Abkürzung, die sich aus den Anfangsbuchstaben einer Reihe medizinischer Begriffe zusammensetzt: Cerebrale autosomal-dominante Arteriopathie mit subcorticalen Infarkten und Leukencephalopathie. Frei übersetzt beschreibt dieser Name eine erbliche (= genetische) Störung der Blutgefäße im Gehirn, die zu Schlaganfällen und Verlust von Nervenzellen im Gehirn führt. CADASIL ist zunehmend in das Bewusstsein von Neurologen, Psychiatern und Nervenärzten gerückt seit man 1996 das krankheitsauslösende Gen identifiziert hat.
In der Erbsubstanz (DNA) sind alle Informationen zur Entwicklung und Funktion unseres Körpers in kleinen Bausteinen, den Genen, verschlüsselt. Gene sind für viele Eigenschaften wie z.B. die Augenfarbe und die Körpergröße verantwortlich. Sie sind in vielen Fällen aber auch an der Entstehung von Krankheiten beteiligt. Gene werden nach den Regeln der Vererbung, durch unterschiedliche Erbgänge von den Eltern an ihre Nachkommen weitergegeben.
Was bedeutet autosomal-dominant?
Jeder Mensch verfügt in der Regel über zwei Kopien von jedem Gen, die auf den Chromosomen „gespeichert“ sind. Bei der Zeugung werden sowohl vom Vater als auch von der Mutter jeweils eine Kopie an das Kind weitergegeben. Bei einem autosomal-dominanten Erbgang reicht eine defekte Kopie des betroffenen Gens aus, um die Erkrankung auszulösen. Bei Patienten mit gesicherter Diagnose für CADASIL findet man sowohl eine defekte als auch eine intakte Kopie des Gens auf dem Chromosom 19. Nachkommen von CADASIL-Patienten erhalten also mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% vom betroffenen Elternteil die defekte Kopie des Gens. Dies ist eine statistische Angabe – welche Kopien des Gens an die Nachkommen weitergegeben werden unterliegt dem Zufall. Träger einer defekten Kopie nennt man „Mutationsträger“. Ob und wann ein Mutationsträger im Laufe seines Lebens Symptome von CADASIL ausbildet, hängt von Faktoren ab, die noch nichtvollständig entschlüsselt sind. Die meisten Mutationsträger entwickeln irgendwann im Laufe ihres Lebens Symptome der Erkrankung. Der Verlauf der Erkrankung kann jedoch sehr unterscheidlich sein. Es kann auch innerhalb einer Familie erhebliche Unterschiede zwischen den „Mutationsträgern“ geben.
Wodurch entsteht CADASIL?
Bei CADASIL-Patienten ist ein einzelnes Gen, das wir NOTCH3 nennen (gesprochen [notsch], englisch für „Kerbe“), krankhaft verändert, vergleichbar mit einem Druckfehler in einem Buch. Dieser Druckfehler führt dazu, dass ein bestimmtes Eiweiß im Körper fehlerhaft arbeitet. In welcher Form es dies tut, wird zur Zeit ausgiebig erforscht. Eine Reihe von grundlegenden, wissenschaftlichen Fragen ist also noch ungeklärt. Dagegen wissen wir bereits heute vieles über die indirekte Folgen dieses Defektes: In den Wänden der kleinen Blutgefäße von CADASIL-Patienten findet man unter dem Mikroskop Ablagerungen, welche das NOTCH3-Eiweiß enthalten. Hinzukommen eine Reihe weiterer Gefäßwandveränderungen. Diese führen wahrscheinlich dazu, dass das Gehirn unzureichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Obwohl sich diese Gefäßwandveränderungen am ganzen Körper nachweisen lassen, scheint CADASIL ausschließlich das Gehirn zu schädigen.
Welches sind die Symptome von CADASIL?
Ein Hauptsymptom von CADASIL sind Schlaganfälle. Diese äußern sich in neurologischen Ausfallerscheinungen (z.B. Lähmungen, Gefühlsstörungen, Gangunsicherheit, Sprechstörung mitverwaschener Sprache etc.), welche sich entweder rasch zurückbilden (sogenannte transiente ischämische Attacken[TIA]) oder zu länger anhaltenden Ausfällen führen (klassischer Schlaganfall). Schlaganfälle treten bei den meisten Betroffenen erstmals zwischen dem 30. und dem 60. Lebensjahr auf. Allerdings gibt es hier – wie auch bei allen anderen Symptomen – große Unterschiede. Einzelne Betroffene sind bis ins hohe Lebensalter beschwerdefrei.
Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet an migräneartigen Kopfschmerzen. Die Kopfschmerzattacken beginnen häufig zwischen dem 20. und 30.Lebensjahr, wobei es auch hier unterschiedliche Verläufe gibt. Üblicherweise handelt es sich um eine „Migräne mit Aura“, d.h. vor oder während der Kopfschmerzen kommt es zu vorübergehenden, neurologischen Ausfällen, wie Sehstörungen, Taubheitsgefühlen an Gliedmaßen oder Sprachstörungen. Die Ausfallserscheinungen bei Migräne-Auren können auch isoliert, also ohne Kopfschmerz, auftreten. Die Abgrenzung zu einem Schlaganfall ist dann nicht einfach. Aus unserer Erfahrung werden viele – vergleichsweise harmlose – Migräne-Auren als Schlaganfall fehldiagnostiziert.
CADASIL-Patienten leiden auch gehäuft an seelischen Störungen wie Angst oder Niedergeschlagenheit. Nicht selten kommt es als seelische Reaktion auf Schlaganfälle zu Depressionen, die sich jedoch in vielen Fällen wieder zurückbilden und – falls nötig – behandelbar sind. In Einzelfällen können auch psychiatrische Symptome wie z.B. Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Ängste, Veränderungen der Wahrnehmung oder der Stimmung (Manie oder Depression) erstmals auf die Erkrankung aufmerksam machen.
Bei einem sehr kleinen Teil der Patienten kommt es zu epileptischen Anfällen welche sich medikamentös gut behandeln lassen. In Einzelfällen werden Episoden mit Verwirrtheit oder Bewusstseinsstörungen beobachtet, welche Stunden bis wenige Tage anhalten können und mit Fieber oder epileptischen Anfällen einhergehen können.
In späteren Krankheitsstadien der Erkrankung kann es zu Störungen geistiger Funktionen kommen, wie z.B. der Konzentrationsfähigkeit oder der geistigen Flexibilität. Auch diese Symptome sind einer Therapie zugänglich.